Helmut Dietl
Helmut Dietl nahm den Spaß ernst und war berühmt-berüchtigt dafür, wie besessen an jedem Wort, jeder Pointe zu feilen. Er war ein Kinovisionär, ein Mastermind des seriellen Schreibens – „Münchner Geschichten“ (1973/74), „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ (1982) oder „Kir Royal“ (1986) sind Kult geworden. In München war der am 22. Juni 1944 geborene Bayer verwurzelt, hatte es vom Glasscherbenviertel Laim, wo er in armen Verhältnissen aufwuchs, ins großbürgerliche Schwabing geschafft und fand dort sein bestes Anschauungsmaterial. Der Versuch, sich wie andere auch in Berlin niederzulassen, misslang. Dietl kehrte zurück in die bayerische Metropole mit ihren Bussi-Bussi-Schickimicki-Strukturen, die er wie kein anderer durchschaute und ironisch entlarvte. Bedingungslos unterwarf er sich seiner Imagination, seinen inneren Bildern, auch wenn es schmerzhaft war. Die Leichtigkeit ist das Schwere, das wusste er, auch wie schwer der hohe Standard zu halten war, den er sich selbst auferlegte. Der bissige Humor war seine Waffe des Erzählens.
Mit den Medien-Satiren „Schtonk“, wofür Harald Juhnke den Lubitsch-Preis 1993 bekam, „Rossini“, für die Dietl selbst am 29. Januar 1997 in Gegenwart seiner Hauptdarstellerin Veronika Ferres (Foto links) im damaligen Berliner Gloria-Palast mit dem Lubitsch-Preis ausgezeichnet wurde, und „Late Show“ (1999) hat er Filmgeschichte geschrieben. 2005 folgte „Vom Suchen und Finden der Liebe“ mit den Lubitsch-Preisträgern Moritz Bleibtreu (1998) und Anke Engelke (2016) und zuletzt 2012 „Zettl“ mit Michael Bully Herbig. Dietl war Co-Autor und Produzent all seiner Filme, ein Perfektionist durch und durch. Wenn sein Werk zahlenmäßig auch überschaubar ist – sechs Kinofilme, vier TV-Serien – so ist es doch ein Vermächtnis. Dafür erhielt er den Grimme-Preis, den Bayerischen Filmpreis und dreimal den Deutschen Filmpreis. Zehn Monate vor seinem Tod am 30. März 2015 überreichte ihn die Deutsche Filmakademie den Ehrenpreis. Helmut Dietl, schwer gezeichnet von seinem Krebsleiden, aber nicht besiegt, trieb mit Witz und entwaffnender Offenheit dem Publikum Tränen in die Augen.
Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief
Die Münchner Schickeria trifft sich beim Schwabinger Nobelitaliener „Rossini“. Zu seinen Stammgästen zählt Gastwirt Paolo Rossini (Mario Adorf, Lubitsch-Preisträger 1974, Foto links) Regisseur Uhu Zigeuner (Götz George) und Produzent Oskar Reiter (Heiner Lauterbach). Die beiden streiten um die Filmrechte des Bestsellers „Die Loreley“ von Jakob Windisch (Joachim Król), der im Hinterzimmer schreibt, umsorgt von Kellnerin Serafina (Martina Gedeck). Schneewittchen (Veronica Ferres), eine aufstrebende Schauspielerin, die bereit ist, alles für die Karriere zu tun und den verliebt-entflammten Wirt für den Regisseur sitzenlässt, und eine sexsüchtige Klatschreporterin (Hannelore Hoger) komplettieren den irrwitzigen Jahrmarkt egozentrischer Eitelkeiten.
In seinem Meisterwerk mixt Dietl Business und Affären zu einer abgrundtiefen Gesellschaftssatire mit bissigen, treffsicheren Dialogen. „Rossini“, ausgezeichnet mit vier Deutschen und drei Bayerischen Filmpreisen, kam am 23. Januar 1997 in die deutschen Kinos und gehörte mit über 3,2 Mio. Zuschauern zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres.