Foto: David Heerde
Es war eine große Ehre, Margot Friedländer in Begleitung von Friede Springer am 25 August 2024 zur Verleihung des Ernst-Lubitsch-Preises im Zoo Palast begrüßen zu dürfen. Nun ist die gebürtige Berlinerin im Alter von 103 Jahren am 9. Mai 2025 gestorben. Als Holocaust-Überlebende setzte sie sich unermüdlich gegen das Vergessen ein, sprach in Schulen über die Schreckenszeit des Nationalsozialismus. Ihren wiederholten Appell „Seid Menschen!“ nahmen sich die Mitglieder des Clubs der Filmjournalisten besonders zu Herzen und ließen sich aufgrund des wachsenden Antisemitismus – besonders nach dem grausamen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 – zu einem zusätzlichen ‚Sonderpreis für Menschlichkeit‘ inspirieren. Dieser Preis ging am 25. August 2024 an Radek Wegrzyn für seinen Dokumentarfilm „Miss Holocaust Survivor“. Für Margot Friedländer war diese Auszeichnung Grund genug, um der Verleihung persönlich beizuwohnen.
Geboren wurde Margot Friedländer am 5. November 1921 in Berlin. Nach der Machtergreifung der Nazis ging sie 1942 in den Untergrund, wurde aber gefasst und ins KZ Theresienstadt deportiert. Sie überlebte und emigrierte 1946 in die USA. Auf Einladung des Berliner Senats besuchte sie 2003 ihre Geburtsstadt. Sieben Jahre später kehrte sie dauerhaft nach Berlin zurück, um sich als jüdische Zeitzeugin der Erinnerungskultur zu widmen. 2023 gründete sie die Margot Friedländer Stiftung. Im gleichen Jahr wurde das Doku-Drama „Ich bin! Margot Friedländer“ im ZDF ausgestrahlt.
Wir verbeugen uns vor einer großen Frau. Margot Friedländer bleibt uns allen ein Vorbild.

Foto: Konrad Hirsch
Interview mit Marc Hosemann
Hat der Name Ernst Lubitsch eine Bedeutung für Sie persönlich?
Ich verehre Lubitsch. „Sein oder Nichtsein“ ist einer meiner Lieblingsfilme, aber auch „Die Austernprinzessin“ von 1919. Die Zeit aus der dieser Film kommt, ist ja wahnsinnig interessant, und ich finde es immer wieder erstaunlich, welche Filme im damaligen Deutschland entstanden sind.
Warum aber gehört „Die Austernprinzessin“ zu Ihren Lieblingsfilmen?
„Die Austernprinzessin“ hat für mich etwas Geniales. Ich glaube, Lubitsch hat diesen Film mit seinen Freunden gedreht. Nicht alle waren Schauspieler, er hatte sich auch mit irgendwelchen Kumpels zusammengetan und dann diesen Film gedreht. Für die genialsten Momente im Film sorgt aber Curt Bois wie er das Orchester dirigiert. Was für ein Timing – genauso so muss man das machen. Das entsprach ganz meinem Humor.
Apropos Humor: In „Sophia, der Tod und ich“ spielen Sie den Tod. War es nicht sehr schwierig, sich dieser Rolle auf humorvolle Weise zu nähern?
Der Autor Thies Ullmann hatte das ja alles schon aufgeschrieben, und ich spielte das dann. Ich glaube, dass auch Ullmann „Mork vom Ork“ im Kopf hatte als er das schrieb. Das war eine Fernsehserie, in der Robin Williams Ende der Siebzigerjahre einen Außerirdischen spielte, der auf die Erde kommt und die Menschen erforscht. So ähnlich ist auch meine Rolle in „Sophia, der Tod und ich“. Hier kommt der Tod auf die Erde kommt, und zum ersten Mal muss er wie ein Mensch leben, weil er in der Zeit gefangen ist.
Kannten Sie „Mork von Ork“?
Als Kind habe ich das gern gesehen, es war sogar meine Lieblingssendung. Robin Williams war ein Meister der Improvisation, und auch ich durfte in meiner Rolle viel improvisieren. Vieles entstand also aus dem Moment heraus?
Zum Beispiel?
Man sieht zum Beispiel einmal wie ich einfach auf das Autodach gestiegen bin, dort dann kurz mitfahre und wieder einsteige. Da ist kein Schnitt in der Szene. Daran kann man erkennen, dass es improvisiert war. Ein Stunt, den ich selber gemacht habe.
Welche Schauspieler oder Regisseure haben Sie am stärksten inspiriert, auch vielleicht am Theater?
Frank Castorf hat schon sehr meine Theaterausbildung geprägt. Diese Art von Freiheit, in dem Moment sein zu können und keine Angst davor zu haben, dass etwas Falsches passiert oder man selbst etwas falsch macht. Das hat mich inspiriert und auch geprägt. Man nimmt sich diesen Moment und macht das, was man selbst für passend hält, aber nicht auf Kosten anderer.
Wie meinen Sie das?
Also nicht, dass man einfach irgendeinen Quatsch improvisiert, sondern dass man mit anderen zusammen in dem Moment ist – das habe ich bei Castorf gelernt. Eigentlich wollte ich nie Theater spielen. Ich interessierte mich zwar dafür, aber ich wollte unbedingt Filme drehen. Aber auf der Bühne konnte ich so spielen wie vor der Filmkamera gemacht hätte.
Gibt es neben der Komödie ein Filmgenre, in dem Sie sich auch mal gern ausleben würden?
Also ich würde behaupten, dass ich relativ weit aufgefächert bin, was Genres angeht. Es sind ja nicht alle Leute komisch. Es können gar nicht alle Leute komisch sein. Ich behaupte sogar, es können viel mehr Leute traurig als komisch sein. Ich sag‘ mal so: Ich bin froh darüber, dass ich beides machen kann, also sowohl lustige als auch traurige Sachen zu spielen. Im Übrigen gibt es für mich da auch gar keinen so großen Unterschied. Denn beide Seiten hängen unmittelbar zusammen.
Inwiefern?
Ein Komiker, der nicht ernst ist, ist auch nicht witzig. Andersherum ist auch etwas Ernsthaftes, wo es nicht den Moment gibt, dass man darüber auch durchaus herzlich lachen könnte, meistens auch sehr langweilig. Das Leben ist ja auch nicht nur schwarzweiß, als entweder sehr traurig oder sehr lustig. Dazwischen liegt schließlich das, was man für eine gute Unterhaltung braucht. Deshalb bin ich ja so froh, beides bedienen zu können, und ich hoffe, dass es so bleibt.
Interview: Ella Riefstahl

Foto: Deutsche Kinemathek
Liebe Freunde des Ernst-Lubitsch-Preises,
der Vorstand des Clubs der Filmjournalistin Berlin möchte Stellung beziehen in einer Zeit, in der wir und unsere Mitglieder mit großer Sorge den sich schleichend wieder aufkeimenden und sich ausbreitenden Antisemitismus wahrnehmen. Und das nicht nur in unserem Land.
Ernst Lubitsch, dem zu Ehren seit 1958 der nach ihm benannte Preis verliehen wird, war ein Deutscher, ein Berliner, ein Jude und einer der bedeutendsten Regisseure der Welt. Er war kein Verfolgter des NS-Regimes, weil er bereits 1922 nach Hollywood immigrierte, aber er drehte 1942 mit „Sein oder Nichtsein“ die wohl kühnste, weil auch komische Abrechnung mit Hitler und seinen Schergen.
Dass die Nazis Millionen von Menschen vertrieben und ermordeten, hat Deutschland damals – auch künstlerisch – arm gemacht. Mit der Eliminierung jüdischer Kunst und des einzigartigen jüdischen Humors wurde unserem Land und seinen Bewohnern etwas genommen, was maßgeblich dazu beigetragen hatte, dieses Land um seine Bewohner zu charakterisieren, zu profilieren.
Um diese Wunde in der Nachkriegszeit zu heilen, hat der großartige Regisseur Billy Wilder, selbst Jude, 1957 die Idee zum Ernst-Lubitsch-Preis gehabt. Denn der Humor ist eine starke Waffe, um gegen Menschenverachtung und Extremismus anzukämpfen. In einem Land ohne jüdische Kultur, ohne jüdischen Humor wäre es einfach nur traurig, da möchte man nicht leben.
Auch deshalb hat der Ernst-Lubitsch-Preis eine so große Bedeutung für die Kinolandschaft und die Kultur im Allgemeinen. Er ist nicht nur ein Lebenswerk für das komödiantische Können hervorragender Künstler, sondern auch ein Zeichen der Aussöhnung und der Erinnerung, dass Menschen gut daran tun, gemeinsam zu lachen.