Marianne Sägebrecht
Marianne Sägebrecht hat mit ihrer erfrischenden Herzlichkeit, komischen Rundlichkeit und natürlichen Ausstrahlung einen eigenwilligen wie erfreulichen Ton in die deutsche Filmlandschaft gebracht. Mit hinreißend draller Erotik und warmherzigen Gefühlswallungen verliebt sie sich in der Liebesgeschichte „Zuckerbaby“ als Leichenwäscherin in einen U-Bahn-Fahrer, wofür sie 1985 den Ernst-Lubitsch-Preis bekam. Marianne Sägebrecht wurde 1945 in Starnberg geboren. Ihr Vater war im Krieg gefallen und der Stiefvater kein guter Ersatz. Mit 16 Jahren zog sie nach München. Sie heiratete mit 19, wurde Mutter einer Tochter und leitete mit ihrem Mann vier Jahre lang die Kleinkunstbühne ‚Spinnradl‘ in Starnberg. Nach der Scheidung 1976 wurde sie Chefin der Münchner Künstlerkneipe ‚Mutti Bräu‘ und trat im Kabarett ‚Opera Curiosa‘ auf.
Als Sägebrecht 1979 im Münchner Studiotheater in „Adele Spitzeder“ als Hure Bella auf der Bühne steht, sieht sie Regisseur Percy Adlon (Lubitsch-Preisträger 1988), der sie daraufhin für seinen TV-Film „Herr Kischott“ besetzte und weitere vier Spielfilme mit ihr inszenierte („Die Schaukel“, „Zuckerbaby“, „Out of Rosenheim“, „Rosalie Goes Shopping“). In „Out of Rosenheim“, der unter dem internationalen Titel „Bagdad Café“ ein Welterfolg wurde, strandet Marianne Sägebrecht als Bayerin in der kalifornischen Wüste und macht aus einer Oase ein Paradies. Weitere US-Produktionen folgten, u.a. spielte sie die Haushälterin von Michael Douglas in Danny DeVitos „Der Rosenkrieg“ und eine Kosmetikerin in Paul Mazurskys „Mond über Parador“. Sie blieb aber auch Europa treu, ist in „Asterix und Obelix gegen Caesar“ als Häuptlingsfrau Gutemine die Idealbesetzung und beeindruckte in Volker Schlöndorffs Kriegsdrama „Der Unhold“. Eine weitere Heimat fand Sägebrecht in den späten Neunzigerjahren in TV-Filmen, etwa in den drei Teilen um die Köchin „Marga Engel“ oder als Masseuse in „Charlotte und ihre Männer“. Marianne Sägebrecht engagiert sich für sterbende Menschen; sie unterstützt ein Hospiz in München.
Zuckerbaby
Eine unscheinbare Frau (Marianne Sägebrecht, Foto), Ende Dreißig, lebt allein in einer Ein-Zimmer-Platte mit Tisch und Einzelbett. Mit ihren überschüssigen Pfunden entspricht sie nicht dem gängigen Schönheitsideal. Tagtäglich fährt sie mit der Münchner U-Bahn zur Arbeit bei einem tristen Bestattungsunternehmen. Bis sie sich zunächst nur in die Lautsprecherstimme des jungen und schlanken U-Bahn Fahrers Huber (Eisi Gulp) verliebt. Mit Raffinesse und Hartnäckigkeit schafft Sie es, zu ihm Kontakt aufzunehmen. Doppelbett und Satinbettwäsche werden angeschafft. Mit Reizwäsche schafft Sie es, ungewollt komisch zu sein, und mit seltsamer Erotik zieht sie den unglücklich Verheirateten ins Bett. Es folgen zwei Wochen voller Glück und Leidenschaft. In der Badewanne sinnieren beide über ihre Träume und nennen sich in Anlehnung an den Peter Kraus-Song ‚Zuckerbaby‘.
Percy Adlons Tragikomödie „Zuckerbaby“, die am 28. Juni 1985 in die Kinos kam, hat einen unverbrauchten Charme und entstand mit wenig Aufwand und viel Mut zum Kitsch.