Foto: Markus Tschiedert
1957 war ein äußerst erfolgreiches Jahr für Billy Wilder (1906-2002). Mit „Lindbergh – Mein Flug über den Ozean“, „Ariane – Liebe am Nachmittag“ und „Zeugin der Anklage“ hatte er gleich drei Filme hintereinander inszeniert und war bereits in den Vorbereitungen zu „Manche mögen’s heiß“. Doch zehn Jahre nach dem Tod von Ernst Lubitsch (1892-1947) trauerte Wilder noch immer seinem alten Freund und Kollegen nach und befürchtete, dass Lubitsch, den er so sehr verehrte, schon bald vergessen sein könnte.
Das durfte nicht passieren, weshalb Wilder, der von 1927 bis 1933 in Berlin als Eintänzer, Reporter und Autor lebte, bevor er nach Amerika emigrieren musste, im November 1957 zurück nach Berlin kam und sich mit Mitgliedern vom Club der Filmjournalisten traf, um einen Preis zur Ehrung des deutschen Regisseurs anzuregen. Nach seiner Ansicht war Lubitsch ‚typisch berlinisch’, aber er verfügte gleichzeitig über den ‚graziösesten französischen Witz’.
Wilders Idee wurde vom Club der Filmjournalisten dankend angenommen: Die Geburtsstunde des Ernst-Lubitsch-Preises, der am 28. Januar 1958 im Berliner Zoo-Palast dann zum ersten Mal an den Regisseur Kurt Hoffmann (1910-2001) für sein Lustspiel „Das Wirtshaus im Spessart“ verliehen wurde. Damit wurde gleichzeitig das Versprechen gegeben, jedes Jahr den Preis für die beste Einzelleistung in einer deutschsprachigen Filmkomödie auszuloben, um das komische Potential in der jungen Bundesrepublik zu fördern.
Ein Jahr später bekam Heinz Rühmann (1902-1994) die Auszeichnung, die damals noch aus einer Urkunde und einem Berlin-Bild der Malerin Haide Luft bestand. Doch schon 1960 hielt Ladislao Vajda (1909-1965) die bis heute berühmte Bronzefigur für die Regie seines Films „Ein Mann geht durch die Wand“ in den Händen.
Foto: ullstein bild - Binder
Der Berliner Bildhauer Erich Fritz Reuter (1911-1997, siehe Foto) hatte eine ganze Serie hagerer Mannesfiguren aus Bronze in verschiedenen Posen entworfen, unter anderem auch eine Variante mit einem Phallus. Der Club der Filmjournalisten wählte aber den weniger anstößigen Pan mit einer Flöte in der Hand aus. Ein echtes Kunstwerk, mit dem seit 1960 alle Preisträger erfreut werden.
Reuter ließ sich durch den Naturgott Pan aus der griechischen Mythologie inspirieren. Pan ist der Gott des Waldes und der Hirten, aber er versinnbildlicht ebenfalls Freude, Musik, Tanz und Fröhlichkeit. Mit seiner Flöte, auf der er musiziert, beeindruckt Pan etwa die Nymphe Syrinx oder die Mondgöttin Selene. Er gilt als Verehrer des weiblichen Geschlechts, und genau das trifft auf Ernst Lubitsch zu, der Frauen in seinen Filmen niemals als hilfloses Anhängsel männlicher Helden zeigte, sondern sie stets mit Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit ausstattete, womit sie dem sogenannten starken Geschlecht oft überlegen waren. Ernst Lubitsch hätte gewiss Gefallen an dem göttlichen Wesen gefunden, denn schließlich sah auch er sich als ein Vertreter der Freude.
Reuters knapp 30 cm große Statuette aus Bronze zeigt einen unbekleideten Mann mit einem Bein in einer spielerischen Position. In der rechten Hand hält er eine Flöte, die linke dient ihm als Schutz vor etwas, was ihn blendet. So scheint es zumindest, weil er in den Himmel schaut, was der Figur in Kunstkreisen auch die Betitelung ‚Der Sterngucker’ einbrachte.
Der Ernst-Lubitsch-Preis wird jährlich von der bewährten Bildgießerei Hermann Noack in Berlin-Charlottenburg angefertigt. Dort werden unter anderem auch die Berlinale-Bären für die Internationalen Filmfestspiele Berlin gegossen.
Der Club der Filmjournalisten ist sehr darauf bedacht, die Trophäe in alter Tradition um den 29. Januar herum – dem Geburtstag von Ernst Lubitsch – zu überreichen, soweit das möglich ist. Nach den ersten Jahren im Berliner Zoo-Palast fanden die Verleihungen auch in anderen Filmtheatern statt. Doch seit 2010 hat der Ernst-Lubitsch-Preis wieder ein festes Haus: Im Babylon – eines der traditionsreichsten Kinos Berlins, an der Rosa-Luxemburg-Straße 30 in Berlin-Mitte – wurden inzwischen Leander Haußmann, Ezard Haußmann, Sophie Rois, Fritzi Haberlandt, Henry Hübchen, Dieter Hallervorden, Anke Engelke, Peter Simonischek, Charly Hübner, Lars Eidinger, Bjarne Mädel und Katharina Thalbach ausgezeichnet.
In unmittelbarer Nähe vom Babylon – Schönhauser Straße, Ecke Lottumstraße -verbrachte Ernst Lubitsch von 1896 bis 1919 seine Kindheit und Jugend. Babylon-Theaterleiter Timothy Grossman ist selbst bekennender Lubitsch-Verehrer und stiftete den Preis seit 2013 dreimal in Folge.
Seit 2015 sitzt in der 3. Reihe des großen Saals eine lebensgroße Ernst-Lubitsch-Nachbildung aus Holz und Hartplastik. Bereits 1986 wurde die Skulptur von dem Bildhauer Jürgen Walter für das Berliner Ladenkino Notausgang in Schöneberg erbaut. Auftraggeber war der damalige Kinobetreiber und Filmregisseur Gunter Rometsch (1946-1994).
Mit seiner 60-jährigen Geschichte gehört der Ernst-Lubitsch-Preis längst zu den renommiertesten Auszeichnungen der deutschen Filmkultur. Er wird als ein Spiegelbild der deutschen Komödien-Kulturgeschichte gesehen und genießt unter Schauspielern und Regisseuren des deutschen Films höchstes Ansehen.
Der Ernst-Lubitsch-Preis soll auch zukünftig für die beste komödiantische Leistung in einem deutschsprachigen Film verliehen werden. Gleichzeitig darf er als Auszeichnung für das Gesamtwerk eines Filmschaffenden verstanden werden. Denn die große Ehre für einen Filmkünstler besteht darin, dass man sich diesen Preis nur einmal verdienen kann.